Hundeerziehung: Strafe vs. Verstärkung

Auch wenn das gemeinsame Training mit Hunden in den letzten Jahrzehnten eine erfreuliche Entwicklung genommen hat, wird auch heute noch sehr oft über Strafe gearbeitet.

Doch was beinhaltet Strafe eigentlich?

Der Begriff Strafe umfasst in der Verhaltenspsychologie und –biologie ein Ereignis das die Wahrscheinlichkeit senkt, dass ein bestimmtes Verhalten gezeigt wird. Somit soll, durch die in der Strafe eingesetzten Methoden, ein Verhalten des Hundes gehemmt werden. In der Lerntheorie unterscheidet man zwischen der frustrierenden und der beängstigenden Strafe. Bei der frustrierenden Strafe (auch als negative Strafe bezeichnet) wird dem Hund etwas Angenehmes entfernt, wodurch die Emotion Frust ausgelöst wird und das Verhalten dadurch weniger gezeigt wird / abnimmt. Bei der beängstigenden Strafe (auch positive Strafe genannt) wird dem Hund etwas Unangenehmes hinzugefügt, löst somit die Emotion Angst aus, wodurch das Verhalten ebenfalls weniger gezeigt wird / abnimmt.

Viele Menschen assoziieren mit einer Strafe Dinge wie Stromhalsbänder oder das Schlagen des Hundes. Zur Strafe zählen allerdings auch jegliche Formen von Druck, der auf den Hund ausgeübt wird – der auch den Leinenruck, einen scharfen Tonfall, die oft genutzte Wasserflasche oder ein Kneifen beinhaltet -, da auch diese das Verhalten hemmen sollen und beim treuen Begleiter negative Gefühle auslösen.

Ein ebenso bedeutender Aspekt in Sachen Strafen ist die große Wahrscheinlichkeit der Fehlverknüpfung: Dein Hund kann den im Rahmen der Strafe auf ihn ausgeübten Druck, den Schmerz und/oder die für ihn damit verbundene Stresssituation mit dir als Person verknüpfen, was sich erheblich auf das Vertrauen und die Bindung auswirkt. Doch auch Verknüpfungen mit allen in dieser Situation vorhandenen Gegebenheiten können verknüpft werden. Sei es der zufällig vorbeifahrenden Fahrradfahrer, die Wiese auf der ihr gerade seid oder das neue Geschirr, dass er heute zum ersten Mal trägt. All diese Dinge können in Zukunft mit der im Moment der Strafe empfundenen Angst oder anderen negativen Gefühlen verknüpft werden!

Eine weitere Problematik bei der Strafe ist, dass es bei ihr, um ein Verhalten wirklich effektiv abzubauen, viele verschiedene Bedingungen einzuhalten gilt – und dies ist einem Halter schier unmöglich. Damit ist diese eingesetzte Strafe nach dem Gesetz der Wirkung von vornherein nicht erfolgsversprechend und zudem für den Hund nicht nachvollziehbar.

Man muss sich grundsätzlich bewusst sein, dass Hunde sich (im Gegensatz zum Menschen) gedanklich nicht in die Vergangenheit oder die Zukunft versetzen können. Sie verbessern ihren eigenen Zustand durch Versuch und Irrtum am Erfolg. Der eigene Vorteil ist das Einzige was ihr Verhalten motiviert und dazu nutzen sie das Verhalten, das sich für sie bewährt hat. Alles was sie tun, hat somit für sie eine bestimmte Funktion und ist ihrem Lernprinzip entsprechend. Wird also sein Verhalten gehemmt, enthält die Strafe zum einen für ihn keinerlei Information was eigentlich anstelle erwünscht ist und zum anderen ist seine Emotion dahinter doch noch immer vorhanden und wird lediglich unterdrückt. Das Grundproblem – seine Emotion hinter diesem Verhalten und somit seine Intention – ist also nicht gelöst.

Doch warum wenden einige Menschen und auch vereinzelte Trainer die Arbeit mit Strafe noch immer an? Ein Grund dafür könnte der vermeintlich schnelle Erfolg sein: Da, wie oben bereits erläutert, durch die Anwendung der Strafe ein Verhalten gehemmt wird und der Hund es danach in diesem Moment lässt oder nicht mehr zeigt, entsteht schnell der Eindruck der Hund habe es „verstanden“ oder gelernt. Doch hat er das wirklich?

Vielleicht versuchen wir uns hierfür einmal anhand eines plakativen Beispiels in die Lage des Hundes, der bestraft wird, hineinzuversetzen:

Stell dir vor, wir beide sitzen gemeinsam in deiner Küche. Du stehst auf und holst mir ein Glas Apfelsaft. Daraufhin schreie ich dich aus heiterem Himmel an und stoße dich zur Seite (Strafe). Vermutlich war dies das letzte Mal, dass du mir ein Glas Apfelsaft holen wolltest (Verhalten wird weniger). Aber hast du verstanden, was das Grundproblem an diesem Apfelsaft war, obwohl er bei anderen Gästen immer super ankam (hatte sich bewährt)? Und wie du in Zukunft damit umgehen sollst, da du keine Idee hast, was von meiner Seite anstelle erlaubt ist (keine Information was erwünscht ist)? Ja du wirst es zukünftig vermutlich lassen, aber nicht, weil du es verstehen kannst, sondern vielmehr, weil ich dir Angst mache, der Schubs ganz einfach weh tat oder du mir nicht mehr vertraust (Negative Emotion, Schmerz).

Somit sei zu guter Letzt noch erwähnt, dass die Ausübung von Druck Stress erzeugt und unter Stress das Lernen blockiert ist. Also auch, wenn man die o.g. Punkte wie dem Hund negative Emotionen oder sogar Schmerzen zuzufügen und Fehlverknüpfungen mit einem selbst oder der Außenwelt in Kauf nimmt und dazu dann noch alle „Bedingungen einer erfolgreichen Strafe“ einhalten würde, wäre der Hund aufgrund der damit eingetretenen Stresssituation gar nicht in der Lage zu lernen.

Im Gegensatz zur Strafe umfasst die Verstärkung ein Ereignis das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein bestimmtes Verhalten gezeigt wird. Hierbei unterscheidet man die negative Verstärkung bei der etwas Unangenehmes entfernt wird. Durch die dabei entstehende Empfindung der Erleichterung wird das Verhalten in Zukunft öfter gezeigt. Bei der positiven Verstärkung wird etwas für den Hund Angenehmes hinzugefügt, was bei ihm – wie bei uns Menschen auch – die Emotion der Freude auslöst, wodurch dieses Verhalten dann öfter gezeigt wird.  

Wir verstärken also ein – für den Menschen – positives Verhalten, anstelle ein – für den Menschen – unerwünschte Verhalten zu bestrafen. Anstatt also die in diesem Moment dahinterstehende Emotion des Hundes durch Strafe zu unterdrücken, wird ein wünschenswertes Alternativverhalten aufgezeigt und belohnt. Er erlernt eine Alternative mit seinen Gefühlen umzugehen, ist fokussiert und freut sich gemeinsam mit seinem Halter interagieren zu können. Langfristig kann die Ursprungsemotion dadurch positiv beeinflusst oder sogar ersetzt werden.

Durch Verstärkung hat der Hund Spaß am Lernen, wodurch in seinem Körper Glückshormone ausgeschüttet werden. Und das vergisst man nicht! Um dieses Gefühl wieder zu erlangen, wird das Verhalten öfter gezeigt. Zusätzlich spielt uns das Lerngesetz dann noch in die Karten: Durch die Anwendung des Alternativverhaltens, bleibt die frühere Bestätigung des alten Verhaltens aus – Es wird weniger gezeigt und auf lange Sicht gelöscht werden (sog. Extinktion).

Leider hat die positive Verstärkung noch oft mit dem Vorurteil des „Wattebausch-Trainings“ zu kämpfen und/oder man wolle den Hund nicht unentwegt mit Leckerli vollstopfen. Dabei umfasst das Training der positiven Verstärkung so vieles mehr! Die Kommunikation mit und von unseren Hunden ist in höchstem Maße sensibel und umfasst eine Vielzahl an Komponenten. Zudem können Verhaltensweisen mit weitaus mehr Verstärkern, als den Leckerli, auf eine positive Art und Weise beeinflusst werden.

Oft sehen wir korrektes oder wünschenswertes Verhalten als selbstverständlich an und reagieren lediglich bei einem – für uns – unerwünschten Verhalten. Doch zeigen wir ihm durch loben, unser Minenspiel oder unsere Körpersprache was wir wirklich von ihm möchten?